Die Fotosammlung
des Josef Székely
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Albanien — Kosova — Makedonien
1863
Zu den frühesten Fotosammlungen Südosteuropas gehören die Albanienbilder des Wiener Fotografen, Josef Székely. Aufgenommen wurden sie während einer von Johann Georg von Hahn geleiteten Expedition der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Jahre 1863.
Der deutsche Philologe und Balkan-Forscher, Johann Georg von Hahn (1811-1869), wird oft als Vater der Albanologie bezeichnet. Hahn wurde in Frankfurt am Main geboren und studierte Rechtswissenschaft in Gießen und Heidelberg. Von 1843-1847 war er im Justizdienst für das neu gegründete Königreich Griechenland tätig. 1843-1847 vertrat er das preußische Konsulat in Athen, wechselte bald dann zum österreichischen Staatsdienst und wurde österreichischer Vizekonsul in Janina, der damaligen Hauptstadt Albaniens, wo er vermutlich den ersten Kontakt mit den Albanern hatte und, nach einer längeren Albanienreise im Jahre 1850 sich ernsthaft mit dem Albanischen zu beschäftigen begann. Schließlich wurde er im Jahre 1851 zum österreichischen Konsul für das östliche Griechenland (1851-1858) ernannt, mit Amtssitz auf der ägäischen Insel Syros.
Während seiner Jahre in Janina reiste Hahn dreimal durch Albanien und sammelte dabei Informationen über albanische Geschichte, Philologie und Volkskunde. Die Ergebnisse seiner Forschungsreisen wurden zu einem beträchtlichen Teil in seinem dreibändigen Werk, Albanesische Studien, Jena 1854, veröffentlicht, das immer noch als Grundwerk der Albanologie gilt. In Erinnerung geblieben ist er allerdings auch für seine Sammlung: Griechische und albanesische Märchen, Leipzig 1864, und für die Berichte seiner Balkanexpeditionen: Reise von Belgrad nach Salonik, Wien 1861, und Reise durch die Gebiete des Drin und Vardar, Wien, 1867, 1869.
Letztere Reise fand vom August bis November 1863 statt. Von Shkodra aus erforschten Hahn und seine Begleiter das Drintal bis Prizren in Kosova, und reisten nach Westmazedonien und in das Vardartal runter nach Salonika an der Ägäis. Hahns Interessen an Albanien und das umliegende Gebiet waren vielfältig. So kam es, dass er während dieser Reise – vielleicht eher zufällig – auch die Grundlagen der Fotografiegeschichte im Südwesten der Halbinsel schuf, da ein Hauptergebnis der Expedition des Jahres 1863 eine faszinierende Fotosammlung war - fünfzig Aufnahmen von höchster Qualität, die zu den frühesten in der Region gehören.
Anfang der 1860er Jahre begann Hahn, seine Reise durch das bisher unerforschte Drintal vorzubereiten. Er beschrieb den Drin als “... von allen europäischen Flüssen der unbekannteste, obwohl seine Mündung in die Adria nur zehn Meilen von der Südspitze des Kaiserstaats entfernt ist... denn von der Verbindung seiner beiden Hauptarme bis zum Eintritt des vereinten Flusses in die Küstenebene hat noch niemand vor dem Verfasser dessen mehr als zwanzig- stündiges Rinnsal verfolgt.” Laut Gerhard Grimm (Johann Georg von Hahn: Leben und Werk, Wiesbaden 1964, S. 92) zeigte sich Erzherzog Maximilian I (1832-1867), der nachmalige Kaiser von Mexiko (r. 1864-1867), von dem Vorhaben begeistert und versprach die dafür nötigen Boote im Marinearsenal bauen zu lassen. Am 23. Juni 1863 erbat Hahn von der Wiener Akademie die Begleitung eines tüchtigen Photographen, der erstens eine Anzahl der malerischen Städtebilder und zweitens von den höchsten Bergspitzen am Reiseweg aus eine Anzahl von Rundansichten aufnehmen sollte. Die Akademie gewann für die Reise den fünfundzwanzigjährigen Dr. Josef Székely und stellte für die Bilder die nötigen Mittel zur Verfügung.
Josef Székely
Der Wiener Fotograf, Josef Székely (1838-1901), wurde im westungarischen Sümeg geboren und ging in Steinamanger (Szombathely) zur Schule. Im Jahre 1860 schloss er sein Studium an der Universität Wien mit einem Magister der Pharmazie ab, das ihm später im Jahre 1862 den Titel eines Dr. chem. einbrachte. Székely wirkte einige Zeit als Dozent an der Universität, eröffnete dann ein Atelier am Heinrichshof gegenüber der Wiener Oper. Als Fotograf erwarb er sich rasch einen bedeutenden Ruf. Im Jahre 1867 gewann er auf der Pariser Weltausstellung eine Bronzemedaille - vielleicht mit den Fotos der Albanienreise - und im Jahre 1878 gewann er ebenfalls in Paris eine Silbermedaille.
Die Balkanexpedition
Anfang August 1863 verließ Hahn sein Konsulat auf der Insel Syros und landete am 12. des Monats in Durrës an der Adria. Er fand die Stadt in “genau demselben Zustand wie vor dreizehn Jahren; kaum fünfzig Köpfe Zuwachs.” Von Durrës aus fuhr er das Erzental hoch, an Ndroq vorbei, und bewegte sich dann in nördlicher Richtung nach Shkodra. Dort traf er am 31. August 1863 ein, wo er die anderen Teilnehmer der Expedition antraf. Unter ihnen waren nicht nur der junge Székely und der Schiffsleutnant Hermann von Spaun (1833-1919), die aus Bar (Antivari) angereist waren, sondern auch Hahns alter Freund, Dr. Auerbach, der im Jahre 1845 nach Vlora gekommen und von der vornehmen Familie Bey Vlora als Familienarzt angestellt war, und der Franziskanerpriester, Angelo Bardhi.
In Shkodra machte Székely acht eindrucksvolle Fotos, die vermutlich die ersten Außenaufnahmen der Stadt sind. Bald darauf bewegte sich die Expedition in zwei Booten flussaufwärts an Deja, Vjerdha, Shurdhah, Koman (zwei Foto- grafien) und Dukagjin vorbei. Der Fluss wurde immer enger, bis die Gruppe bei Toplana nicht weiterkam. Mit seinem schweren Gepäck wurde Székely gezwungen nach Shkodra zurückzukehren, während die anderen Teilnehmer ihre Reise mit zwei Matrosen auf dem Landweg fortsetzten.
Die Gruppe fand sich in Prizren wieder zusammen, damals die größte Stadt Albaniens. Prizren hatte offiziell 11.540 Häuser, die 46.000 Einwohner beherbergten, von denen 36.000 Muslime, 8.000 Bulgaren und Wlachen und 2.000 katholische Christen waren. Sie besaß nicht weniger als sechsundzwanzig Moscheen, sowie zwei orthodoxe und eine katholische Kirche. Shkodra, Durrës und Vlora waren dagegen kleine Dörfer. Hier machte Székely Anfang September 1863 fünf Aufnahmen. Von Prizren kehrten die Expeditionsteilnehmer an den Schwarzen Drin zurück und reisten in südlicher Richtung nach Dibra (Debar). Dieses Gebiet wurde bisher kaum erforscht und galt als unsicher. Dazu schrieb Hahn: “In demselben Dunkel wie der vereinte Drin lag auch das Tal des Schwarzen Drin von der Stadt Dibra bis zur Vereinigung der beiden Drinarme. Es ist als das größte Räubernest verschrien und wird daher von seiner nächsten Nachbarschaft gemieden.” Die Gruppe durchquerte das Gebiet ohne Probleme. Dort beschwerte Hahn sich lediglich, dass er die dortige Mundart nur schwer verstehen konnte. “Denn die mir an sich schon schwer verständliche gegische Mundart wird in Mat und Dibra in einer Weise gesprochen, dass ich, wenn die Leute untereinander sprachen, kaum hier und da ein Wort erhaschen konnte.” Nach Ankunft in Dibra am 21. September 1863 machte Székely zwei Aufnahmen. Das Fotografieren war damals eine langwierige Angelegenheit. Mit der mitgeschleppten “photo- graphischen Maschine” und dem Plattenwagen brauchte er zweiundhalb Stunden, um einen mächtigen, romantischen Felsenriss aufzunehmen. Hahn machte die Bemerkung, “dass man die Photographien noch nicht neben dem Wege pflücken, sondern dass man nur entweder reisen oder photographieren kann.” Von Dibra aus bewegte sich die Gruppe weiter nach Struga am Ohridsee.
Hahn war vom gewaltigen Ohridsee fasziniert und notierte sich dreizehn verschiedene Speisefischarten. Besucht wurde der Kloster von Kalishta, die Stadt Ohrid mit seinen alten, teils in Moscheen umgewandelten Kirchen und schließlich das am Südende des Sees befindliche berühmte Sweti Naum Kloster aus dem 16. Jahrhundert. Die Teilnehmer verbrachten am Ohridsee zehn Tage, wobei Székely genug Zeit hatte, seine Aufnahmen zu machen. In Ohrid und dem umliegenden Gebiet entstanden elf Fotografien. Seine Bilder von Sweti Naum dürften die einzigen noch erhaltenen sein, die aufgenommen wurden, bevor die Anlage im Jahre 1875 Opfer eines Brandes wurde. Von Ohrid aus reiste die Gruppe zum Prespasee weiter und bewegte sich bei strömendem Regen in östliche Richtung nach Monastir (Bitola). Es war nun Oktober. Hier begegnete Hahn dem osmanischen Brigadegeneral Faik Pascha, der in Wien studiert hatte. Székely machte einige Aufnahmen osmanischer Formationen vor der gewaltigen im Jahre 1839 errichteten Kaserne. Von Prilep reisten sie weiter nach Weles am Vardar, und von dort aus durch das Eiserne Tor (Demir Kapi) nach Salonika an der Ägäis. In Salonika wurden fünf Aufnahmen gemacht. Anschließend schifften sich Hahn und Székely nach den Dardanellen ein, um nach Troja in Kleinasien zu gelangen.
Die Székely-Sammlung
Johann Georg von Hahn war der historische Beitrag von Székely durchaus bewusst. Seiner Meinung nach durften die Székely-Fotos “dem Besten an die Seite gesetzt werden, was die Photographie in dieser Richtung bis jetzt geleistet hat.” Leider erwies sich die Herausgabe der Fotografien für die Wiener Akademie der Wissenschaften als zu kost- spielig. Daher wurden sie in dem in den Jahren 1867 und 1869 veröffentlichten Abschlussbericht der Expedition nicht mitgedruckt. In den folgenden Jahren geriet die Székely-Sammlung in Vergessenheit. Im Jahre 1889 erschienen dreizehn der Székely-Fotografien in dem von von Spiridion Gopčević (1855-1936) herausgegebenen Buch Makedonien und Alt-Serbien, doch ohne Angabe des Fotografen und des Jahres. Danach verschwand die Sammlung für mehr als ein Jahrhundert. Entdeckt wurde sie schließlich in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien im Jahre 2000 durch Mark Cohen.
Die Fotosammlung des Josef Székely aus dem Jahre 1863 ist für die Kulturgeschichte der südlichen Balkanhalbinsel von historischer Bedeutung. Es handelt sich auch um Bilder von hohem ästhetischen Wert. Mit Ausnahme eines einzigen Porträts des Aufständischen Hamzë Kazazi durch Pietro Marubbi (1834-1903) von Shkodra im Jahre 1858 sind die Székely-Fotos die frühesten Aufnahmen, die in Albanien je gemacht wurden. Sie dürften auch die ersten Aufnahmen von Kosova sein und unter den frühesten von Mazedonien.
Die Székely-Sammlung wurde zum ersten Mal in dem Bildband Writing in Light: Early Photography of Albania and the Southwestern Balkans, Prishtina 2007, veröffentlicht. Die Fotografien des Josef Székely werden im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek (www.bildarchiv.at) aufbewahrt, der wir für die Genehmigung zur Verwendung herzlich danken.
Robert Elsie