Die Fotosammlung der
Rose Wilder Lane
Nordalbanien im Jahre 1922
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Die amerikanische Schriftstellerin Rose Wilder Lane (1886-1968), Tochter der Laura Ingalls
Wilder (1867-1957), Autorin der Bücherserie Little House on the Prairie, wurde in Süd-Dakota
geboren. Aufgewachsen ist sie in Missouri, wo sie im Alter von siebzehn eine Anstellung bei
Western Union in Kansas City erhielt. Im Jahre 1908 zog sie nach San Francisco, wo sie die
Frauenkolumne für die Zeitung San Francisco Bulletin verfasste. Mit ihren beliebten Kurz-
geschichten in Frauenzeitschriften soll sie damals die bestbezahlte Journalistin der Vereinigten
Staaten gewesen sein. Nach Erscheinung ihres ersten Buches wurde sie für das American Red
Cross and Near East Relief tätig, für das sie über die Zustände in Europa und im Nahen Osten
berichten sollte.
Rose Wilder Lane begann ihre Tätigkeit für das Rote Kreuz in Paris und reiste von dort aus nach
Italien, Griechenland, Jugoslawien und Albanien. Sie war gerade dabei, ein Flüchtlingslager in
Shkodra zu verlassen, als eine andere Mitarbeiterin, Frances Hardy, sie überredete auf eine
Expedition in die nordalbanischen Berge mitzureisen, mit dem Ziel Schulen zu eröffnen.
„Konstantinopel ist nichts. Alle fahren nach Konstantinopel. Wenn du aber Albanien nicht gesehen
hast, hast du eine einmalige Möglichkeit verpasst. Oben in den Bergen – ja, da oben, eine
Tagesreise von hier entfernt – leben Menschen wie vor zwanzig Jahrhunderten, bevor es die
Griechen, Römer und Slawen überhaupt gab. Dort gibt es prähistorische Siedlungen, alte
Legenden, Lieder, Gebräuche, die keiner kennt. Kein Ausländer hat sie je gesehen. Um Gottes
Willen, Mädchen! Und du sitzt hier und schwafelst über Konstantinopel!“ „Aber wenn keiner
dahin kommt, wie können wir das tun?“ sagte ich. „Wie macht man überhaupt etwas. Man tut es
einfach. Wir mieten Pferde, steigen darauf und reiten los.“ „Mit Gewehren?“ „Ach, wir werden
keine Probleme haben. Kann sein, wir treffen auf ein paar Fälle von Blutrache und unsere
Reiseführer werden angeschossen, aber keiner zielt auf eine Frau. Auch Männer werden in
Anwesenheit von Frauen nie erschossen.“
Unverzüglich änderte Rose Wilder Lane ihre Reisepläne und zog mit Frances und mit einer
anderen Frau, Margaret Alexander, los. Mit dabei war ihr künftiger Adoptivsohn, Rexh Meta, ein
zwölfjähriger Flüchtling aus dem Kosovo, der seine Eltern verloren und mit anderen Kindern den
langen Fußweg nach Skutari auf sich genommen hatte, um ein Flüchtlingslager zu erreichen. Dort
hatte er Englisch gelernt. Mit ihnen reiste auch Rrok Perolli, ein Mitarbeiter des albanischen
Innenministeriums, als Dolmetscher. Ein Jahr zuvor wurde Perolli in einem serbischen Gefängnis
zu Tode verurteilt. Ihm gelang es aber zu fliehen und unter großer Gefahr über die Grenze nach
Albanien zu flüchten. Nun hatte er Angst, die Hochlandstämme würden ihn an die Serben
verkaufen und ausliefern.
Ergebnis der Expedition des Jahres 1921 war das Buch Peaks of Shala, Being a Record of Certain
Wanderings among the Hill-tribes of Albania (Die Gipfel von Shala: eine Aufzeichnung
bestimmter Wanderungen unter den Bergstämmen Albaniens), London 1922. Rose Wilder Lane
war an und für sich keine Anthropologin oder Spezialistin mit guten Balkankenntnissen wie ihre
britische Vorgängerin Edith Durham. Auch war sie bisher nicht gewohnt, Reiseliteratur zu
schreiben. Mit einfachen Mitteln gelang es ihr aber, die sehr fremde Welt der albanischen Berge
dem amerikanischen Leser verständlich zu machen und gleichzeitig faszinierend darzustellen.
Trotz des fremden Sujets war Peaks of Shala ein großer Erfolg und ging durch drei Auflagen.
Im Jahre 1926, fünf Jahre nach ihrer Expedition in die Berge von Dukagjin, kehrte Rose Wilder
Lane nach Albanien zurück, diesmal mit ihrer neuen Freundin Helen Dore Boylston (1895-1984)
und deren französischen Dienerin Yvonne, und zwar mit der Absicht, ein Haus zu bauen und sich
dort niederzulassen. Die Geschichte ihrer Reise von Paris nach Tirana in einem Fahrzeugtyp Model
T Ford, das sie Zenobia nannten, wurde von William Holtz in dem Band Travels with Zenobia,
Paris to Albania in a Model T Ford: A Journal by Rose Wilder Lane and Helen Dore Boylston
(Reisen mit Zenobia: von Paris nach Albanien in einem Model T Ford: Tagebücher der Rose
Wilder Lane und Helen Dore Boylston), Columbia 1983, herausgegeben. Aus Familiengründen
ließ sich der Traum von Rose Wilder Lane mit Helen in Albanien dauerhaft zu leben allerdings
nicht erfüllen. Sie musste nach anderthalb Jahren in Tirana nach Amerika zurückfahren. Die
Wirtschaftskrise des Jahres 1929 machte ihre Hoffnung, nach Albanien zurückzukehren, zunichte.
Rose Wilder Lane starb im Jahre 1968 im Alter von 81, ein Tag, bevor sie eine Weltreise
unternehmen wollte.
Die Fotos in dieser Sammlung wurden größtenteils nicht von Rose Wilder Lane selbst gemacht.
Als sie im folgenden Jahre in Albanien war, hatte sie eine Fotografin, Annette (Peggy) Marquis,
beauftragt, die Reise des Jahres 1921 mit zwei Reisebegleitern nachzumachen. Diesmal war das
Wetter besser und die Reise weniger anstrengend. Nach manchen Abenteuern gelang es Peggy
Marquis heil nach Hause zu gelangen. Der Fotoapparat war ins Wasser gefallen, die Negative aber
blieben zum Glück unbeschädigt.