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Robert Elsie

Frühe Fotografie in Albanien

 
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Die Fotosammlung des Bajazid Doda
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Makedonien 1907

Bajazid Elmaz Doda, auch deutsch Bajasid Elmas genannt, wurde ca. 1888 in dem makedonisch-albanischen Gebirgsdorf Schtirowitza im Oberreka (Reka e Epërme / Gorna Reka) geboren und wuchs dort auf. Wie viele männliche Einwohner des Reka-Gebietes ging er als Jugendlicher auf Wanderarbeit nach Rumänien. In Bukarest traf er am 20. November 1906 den Albanologen Franz Baron Nopcsa (1877-1933), der den achtzehnjährigen Albaner als Diener anheuerte.

Aus dem Arbeitsverhältnis wurde eine Liebesbeziehung und eine langjährige innige Lebensgemeinschaft. In seinen im Jahre 2001 veröffentlichten Lebenserinnerungen, Reisen in den Balkan, beschrieb Nopcsa die erste Begegnung mit seinem künftigen, als Privatsekretär fungiertenden, Lebensgefährten in knappen Worten folgendermaßen:

"Am 20. November 1906 habe ich in Bukarest Bajazid Elmas kennen gelernt. Bajazid ist seither bei mir geblieben und nach dem Tode von Louis Draškovic war er der einzige Mensch, der mich wirklich gern hatte, dem ich daher in allem und jedem vollstes Vertrauen entgegenbringen konnte, ohne einen Augenblick zu befürchten, dass er es missbrauchen würde. Auch er hatte zwar seine Fehler, aber diesem Vorteil gegenüber nahm ich sie gerne mit in Kauf. Aus Hass gegen alles, was österreichisch-ungarisch ist und, da ich mich speziell in Albanien betätigte, aus Hass gegen mich ermordeten die Serben Bajazids Vater und seinen Bruder in Schtirovitza 1913."

Doda NB9020 60 B
Makedonien. Gesamtansicht von Schtirowitza [Shtirovica/Štirovica]. Doda NB9020 61 B 
Makedonien. Typen des oberen Rekatalesa. Doda NB9020 62 B
Makedonien. Typen des oberen Rekatales. Doda NB9020 63 B
Makedonien. Kruschnik bei einem Hochzeitszug. Doda NB9020 64 B
Makedonien. Ankunft eines Hochzeitszuges. Doda NB9020 65 B
Makedonien. Ein Freier am Tage nach der Hochzeit. Doda NB9020 66 B
Makedonien. Albanischer Salep-Verkäufer in Üsküp [Skopje]. Doda NB9020 67 B
Makedonien. Albanische Halwa-Verkäufer in Üsküp [Skopje]. Doda NB9020 68|1 B
Makedonien. Gesamtansicht von Wau [Vau]. Doda NB9020 68|2 B
Makedonien. Neues Haus in Wau. Doda NB9020 69 B
Makedonien. Zwei Schtirowitzaner, die Befestigung der Opanken zeigend. Doda NB9020 70 B
Makedonien. Links Schtirowitzaner mit Hemd und schwarzem tirq.
Rechts zwei slawisch sprechende Mohammedaner aus Unter-Reka. Doda NB9020 71 B
Makedonien. Zwei Mohammedaner aus Ober-Reka,
links einer aus Retsch [Reç], rechts einer aus Schtrezmir [Shtrazmir/Strezimir]. Doda NB9020 72 B
Makedonien. Leute aus Schtirowitza, die Verschnürung des tirq zeigend. Doda NB9020 73 B
Makedonien. Typen des oberen Rekatales. Doda NB9020 74 B
Makedonien. Typen des oberen Rekatales. Doda NB9020 75 B
Makedonien. Hirte mit Schafpelz (sitzend), rechts und links Schtirowitzaner. Doda NB9020 76 B
Makedonien. Junge türkische Gendarmen in Schtirowitza. jquery image lightboxby VisualLightBox.com v6.1

Anschließend fuhr Nopcsa mit seinem jungen Diener auf das elterliche Gut Szacsal (Sacel) bei Hatzeg in Sieben- bürgen und nach ein paar Monaten nach London, wo Bajazid an Influenza erkrankte. Mitte November 1907 fuhren die beiden von der Stadt Shkodra aus, in der Nopcsa in den Jahren 1907-1910 und später ab Oktober 1913 ein Haus besass, über Mirdita und Kalis, wo sie von dem berühmten Räuberfürsten Mustafa Lita in Gefangenschaft gerieten. Nach deren Freilassung in Prizren führen sie nach Skopje und bereisten vermutlich dann auch das obere Rekatal, wie ursprünglich geplant. Anschließend führen sie wieder nach Shkodra, um das Stammesgebiet der Hoti und Gruda zu erforschen.

Auch in den Jahren vor und während der Balkankriege bereisten Nopcsa und sein temperamentvoller Sekretär weite Teile von Nordalbanien, Kosova und Mazedonien. Im Herbst 1913 berichtet Nopcsa:

"Einmal, als Nikol Gega und Bajazid in rasch aufwallendem Zorn zu je einem Revolver griffen und nur durch das Dazwischentreten von Gjok Prenga und Mehmed Zeneli daran gehindert wurden, sich gegenseitig zu erschießen, da gelang es mir sogar, diese Angelegenheit, ohne irgendeinen Teil zu schädigen, aus der Welt zu schaffen, so dass sich beide Gegner nach einer Weile wieder versöhnten. Mehr als ein Europäer wunderte sich darüber, wie ich so viele disparate Charaktere, die noch dazu wie alle Albaner zu gegenseitigem Neid und zu Eifersucht inklinierten, bei- sammen halten konnte... Von Shkodra begab ich mich, sowie ich meinen ganzen Haushalt in Schwung gebracht hatte, ins Gebirge. Mein Programm war zuerst, den Südhang der Nordalbanischen Alpen zu erforschen, dann das Gebiet knapp westlich der Prokletien. Doch mußte ich wegen Malaria vom letzteren Teil meines Programms absehen, um mich auf den leicht begehbaren bergigen Teil von Kastrati zu beschränken. An meiner Statt bestieg Bajazid den Veleçik, die Kunora e Keneshdolit und einige andere Berge, von wo er die für die Herstellung der Spezialkarte der nordalbanischen Alpen notwendigen Fotografien machte."

Auch im Kriegswinter 1915-1916, als Nopcsa mit den k. u. k. Truppen in Kosova diente, war sein Sekretär dabei. Nach dem Ersten Weltkrieg lebten Bajazid Elmaz Doda und Franz Nopcsa hauptsächlich in Wien, wo der Forscher Wichtiges veröffentlichte und sich sowohl in der Albanologie, wie auch in der Paläontologie und Geologie große Verdienste erwarb.

Am 25. April 1933 schied der an Depressionen leidende Baron durch einen Schuss in den Mund aus dem Leben. Einen kurzen Augenblick davor hatte er auch seinen treuen Diener und Lebensgefährten erschossen. In einem Schreiben an die Polizei schrieb Nopcsa:

"Die Ursache meines Selbstmordes ist zerrüttetes Nervensystem. Dass ich auch meinen langjährigen Freund und Sekretär, Herrn Bajazid Elmaz Doda, im Schlafe und ohne dass er es vorausgeahnt hätte, erschossen habe, liegt darin, dass ich ihn krank, elend und ohne Geld nicht auf der Welt zurücklassen wollte, da er dann zu viel gelitten hätte. Ich wünsche verbrannt zu werden."

Bajazid Elmaz Doda ist Autor des Buches Albanisches Bauerleben im oberen Rekatal bei Dibra (Makedonien), das er in Wien im April 1914 als Typoskript fertigstellte und das ebenfalls in Wien im Jahre 2007 veröffentlicht wurde. In dem ursprünglichen Typoskript sowie in der veröffentlichten Fassung des Werkes befinden sich als Begleitmaterial Fotografien, die laut Verfasser von Doda selbst stammen. Sie dürfen um das Jahr 1907 gemacht worden sein. Es handelt sich in erster Linie um Aufnahmen seines inzwischen verschwundenen Heimatdorfes Schtirowitza und Um- gebung, sowie ein paar Aufnahmen von Skopje. Eben weil das Dorf verschwunden ist - an der Stelle befindet sich heute eine grüne Wiese mit einigen Steinhaufen - und weil die einheimische albanische Bevölkerung des Rekatals ca. 1916 zwei Jahre nach Verfassung des Buches vertrieben wurde, sind die Bilder ein einmaliges Zeugnis von beträchtlichem historischen Wert.

Das Buche Albanisches Bauerleben im oberen Rekatal bei Dibra enthält eine Fülle von Angaben und Informationen aus den verschiedensten Bereichen und wird daher in vielen Fachgebieten Interesse wecken und Verwendung finden. Darüber hinaus dürfte sie die früheste in deutscher Sprache von einem Albaner verfasste Studie zur Ethnographie sein. In einem Vorwort erklärt Doda:

Zur Türkenzeit war meine engere Heimat, das obere Rekatal, infolge einer kurzsichtigen, auf die Erhaltung der Barbarei hinzielenden Politik von der Welt abgeschlossen. Durch die letzten Ereignisse ist sie unter serbische Oberhoheit gekommen, und es ist zu befürchten, dass das mohammedanische Element des oberen Rekatals bald vollkommen und zwar infolge seiner bisherigen Abgeschlossenheit spurlos verschwunden sein wird. Diesem Übel abzuhelfen, meinen Glaubens- und Dorfgenossen ihre Eigenheit bewahren zu helfen, und gleichzeitig so ein bleibendes Denkmal in der Albanien behandelnden Literatur zu setzen, ist der Zweck folgender, das Leben der Mohammedaner des oberen Rekatals schildernde Zeilen. Was Spiridion Gopcevic in seinem berüchtigten Buche über Makedonien (Makedonien und Alt-Serbien, 1889) über Reka schreibt, ist alles unrichtig oder tendenziöse Lügen, was übrigens schon vor mir von anderen Reisenden festgestellt worden ist.

Ich wollte weder eine gelehrte ethnographische Abhandlung, noch sonst eine andere ähnliche anspruchsvolle Arbeit verfassen, sondern schlecht und recht das Leben dieses Erdenflecks so schildern, wie ich es selbst Tag für Tag erlebt habe.

Dereinst, wenn jene Elemente, welche die Albaner der Gegend von Nisch [Niš] vom Erdboden vertilgt haben und auch meine Landsleute dahingerafft haben werden, wird dann, glaube ich, auch die einfachste, wahrheitstreue Schilderung ihres Alltagslebens ein bleibendes Monument ihrer ehemaligen Existenz und zugleich aber auch eine Anklage gegen ihre Vernichter werden.

Die Übersetzung des Manuskripts der vorliegenden Arbeit besorgte Dr. Baron Nopcsa. Die Illustrationen wurden auf Grund eigener Photographien angefertigt.

Für die Genehmigung, das Bildmaterial hier vorstellen zu dürfen, sind wir dem Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien zu Dank verpflichtet, wo sich die Doda-Sammlung unter den Inventarnummern NB902060B zu NB902076B befindet.

Robert Elsie

 

 

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